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Fallvorstellung: Gerinnungsstörung mit genetischer Ursache

Ein 66-jähriger Patient stellte sich bei Zustand nach zwei tiefen Beinvenenthrombosen in der Gerinnungssprechstunde vor.

DR. MED. ADRIANNA JAGIELLO

Die erste tiefe Beinvenenthrombose im linken Unterschenkel ereignete sich 2018 nach einer Covid-Impfung, die zweite im rechten Unterschenkel im Rahmen eines grippalen Infekts Anfang 2025. Es bestand zum Zeitpunkt der Vorstellung eine orale Antikoagulation mit Apixaban 2 x 5 mg/die. Die Familienanamnese war bezüglich Thrombosen unauffällig.

Entsprechend den aktuellen Leitlinien wurde labordiagnostisch nach hereditärer und erworbener Thrombophilie gesucht. Angemerkt werden muss, dass ein Thrombophilie-Screening nicht in der Akutphase einer venösen Thromboembolie oder Lungenembolie und nicht unter Antikoagulanzieneinfluss erfolgen sollte. Der ideale Zeitpunkt der Diagnostik ist in der Erhaltungsphase, wenn ein Pausieren oder Absetzen der Antikoagulation möglich ist oder nach Beendigung der Antikoagulation. Die einzige Ausnahme ist der Verdacht auf ein Antiphospholipidsyndrom, hier sollten Antiphospholipid-Antikörper zeitnah bestimmt werden

Beim Patienten lag die tiefe Beinvenenthrombose schon Monate zurück, außerdem hatte er seine orale Antikoagulation 24 Stunden pausiert. Folgende Laboruntersuchungen haben wir veranlasst:

• Hereditäre Thrombophilie

 • Faktor-V-Leiden-Mutation

• Prothrombin-G20210A-Mutation

 • Antithrombin • Protein C • Protein S

• Erworbene Thrombophilie • Lupus Antikoagulans

• Cardiolipin-Antikörper

• Beta2-Glykoprotein I-Antikörper

Molekulargenetisch konnte eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation nachgewiesen werden. Alle anderen bestimmten Laborparameter waren unauffällig. Die Faktor-V-Leiden-Mutation wird autosomal-kodominant vererbt. Die Mutation des Faktor V ist mit einer Prävalenz von ca. 5 % in Europa der häufigste angeborene Thrombose-Risikofaktor. In der asiatischen und afrikanischen Bevölkerung konnte die Mutation nicht nachgewiesen werden.>

Das relative Thromboserisiko ist bei heterozygoten 5- bis 10-fach, bei homozygoten Trägern 50- bis 100-fach erhöht. Sofern PatientInnen lediglich eine heterozygote Mutation haben, ist eine dauerhafte Antikoagulation nicht unbedingt erforderlich, da das Risiko einer Thrombose eher niedrig ist und meistens erst durch zusätzliche Risikofaktoren ausgelöst wird. In Risikosituationen sollte dann eine Thromboseprophylaxe mit einem niedermolekularen Heparin subkutan erfolgen.

Zu den Risikosituationen gehören:

• Operationen • Verletzungen, besonders der unteren Extremitäten

• langes unbewegliches Sitzen, z.B. auf Reisen (länger als ca. 4 Stunden)

• Erkrankungen mit Bettlägerigkeit • einige entzündliche Erkrankungen, z. B. Rheumaschub

• Behandlung mit Hormonen (orale Kontrazeptiva, Hormonersatztherapie)

• Schwangerschaft mit Komplikationen

• Wochenbett

Die Entscheidung, ob eine dauerhafte Antikoagulation erfolgen soll oder nur bei Bedarf, hängt von weiteren Faktoren ab, wie z.B. Rezidiv vs. Erstereignis, spontanes vs. provoziertes Auftreten, sowie von der individuellen Präferenz der Patientin bzw. des Patienten.

Dem Patienten wurde eine dreimonatige orale Antikoagulation empfohlen. Nach einer Ultraschallkontrolle des betroffenen Beins konnte die Therapie anschließend beendet werden. Zudem wurde er angehalten, in Risikosituationen eine Thromboseprophylaxe durchzuführen. Da die Faktor-V-Leiden-Mutation vererbbar ist, sollte auch die Testung Angehöriger erwogen werden.

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Literatur:

  1. S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. Version 5.0. AWMF-Register Nr. 065/002. Gültig bis 13.02.2028

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