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Morbus Fabry

Der Morbus Fabry ist eine seltene X-chromosomal vererbte, multisystemische, progredient verlaufende lysosomale Speicherkrankheit, die durch eine reduzierte oder fehlende Aktivität des Enzyms alpha-Galaktosidase A (AGLA-Aktivität) gekennzeichnet ist.

DR. MED. ANTJE HOHMANN DA SILVA

Mutationen des alpha-Galaktosidase-Gens (GLA-Gen) auf dem langen Arm des X-Chromosoms bedingen einen Mangel dieses lysosomalen Enzyms, was zur Akkumulation von Sphingolipiden (u.a. Globotriaosylceramid [Gb3] und seiner deacylierten Form [Lyso-Gb3]) in verschiedenen Organen des Körpers führt.

Klinisches Bild

Der M. Fabry weist eine hohe klinische Variabilität auf. In Abhängigkeit von der verbliebenen alpha-Galaktosidase A-Aktivität variiert das klinische Bild von asymptomatischen Trägern der Mutation bis hin zu schwerkranken Patienten. Im letzteren Fall sind typischerweise Nieren, Herz, ZNS und PNS, Gastrointestinaltrakt, Ohren, Augen und Haut beteiligt. Die korrespondierenden Symptome und Manifestationen sind vor allem Niereninsuffizienz, Kardiomyopathie und Arrhythmie, rezidivierende Schlaganfälle, affektive und/oder kognitive Störungen, Schmerzsyndrome, chronischer Schwank- oder Drehschwindel, Hypo- bzw. Anhidrose, unspezifische gastrointestinale Beschwerden, rezidivierende Hörstürze und die pathognomonische, asymptomatische Cornea verticillata der Augen (bedingt durch wirbelförmige Ablagerungen von Gb3 im Hornhautepithel) sowie Angiokeratome der Haut.

Beim sogenannten klassischen Phänotyp treten die ersten Symptome typischerweise in Kindheit und Adoleszenz auf. Zu den nicht klassischen Later-onset-Phänotypen beim M. Fabry gehören später auftretende Manifestationsformen, die sich hauptsächlich auf ein Organ beschränken, z.B. mit vorherrschender kardialer, renaler oder ZNS-Beteiligung. Diese werden häufig lange Zeit nicht erkannt, da einzelne Symptome wie beispielsweise linksventrikuläre Hypertrophie, Proteinurie oder ein kryptogener Schlaganfall mit anderen, häufigeren Erkrankungen in Verbindung gebracht werden und die klassischen Frühmanifestationen an Augen und Haut häufig fehlen.

Unbehandelt schränkt der M. Fabry die Lebensqualität deutlich ein und verkürzt die Lebenserwartung bei beiden Geschlechtern. Die Diagnose wird oft erst nach einer mehrjährigen Latenz und dann meist interdisziplinär gestellt. Die Prognose der Erkrankung ist jedoch entscheidend von der frühzeitigen Diagnose und Behandlung abhängig.

Diagnostik

Bei Männern ist die Bestimmung der Aktivität der alpha-Galaktosidase A (AGLA-Aktivität) im Serum zunächst die Methode der Wahl zur Diagnosestellung. Die anschließende molekulargenetische Analyse des alpha-Galaktosidase A Gens (GLA-Gen) mit dem Nachweis einer krankheitsverursachenden Genvariante ist zur finalen Diagnosesicherung notwendig.

Bei Frauen hat die Messung der AGLA-Aktivität so gut wie keine Aussagekraft, da eine normale Enzymaktivität das Vorliegen eines M. Fabry nicht ausschließt. Daher ist die Mutationsanalyse des GLA-Gens zur Diagnosestellung zwingend erforderlich.

Für die Untersuchung des GLA-Gens wird EDTA-Blut und die Aufklärung nach GenDG und Einwilligung der zu untersuchenden Person oder der Erziehungsberechtigten benötigt. Bei einem molekulargenetisch bestätigten M. Fabry ist eine humangenetische Beratung für die PatientInnen und deren Familienangehörige ersten Grades anzubieten.

Nach den Regeln der X-chromosomalen Vererbung geben Väter mit defektem GLA-Gen dieses über das X-Chromosom nur an ihre Töchter weiter. Alle Töchter eines erkrankten Mannes sind „obligate“ Überträgerinnen, während alle Söhne aufgrund des X-chromosomalen Erbgangs nicht betroffen sind. Betroffene Mütter vererben die Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % sowohl an ihre Töchter als auch an ihre Söhne. Insgesamt erkranken Frauen mit M. Fabry deutlich milder oder bleiben gar subklinisch. Bei gesichertem M. Fabry sollte im Rahmen der Verlaufsuntersuchungen das Lyso-Gb3 im Serum als Biomarker zur Beurteilung der Krankheitsprogression bestimmt werden.

Therapie

Seit 2001 ist mit der Enzymersatztherapie (ERT) eine kausale Behandlungsoption verfügbar, um den Mangel bzw. Funktionsverlust der AGLA zu kompensieren. Sie wird für Männer und Frauen gleichermaßen empfohlen und ist nach gesicherter Diagnose eines M. Fabry und bei Vorliegen von therapiebedürftigen klinischen Symptomen möglichst frühzeitig einzusetzen, da sie das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt. Die Effektivität der ERT ist auch bei Kindern belegt.

Das gentechnologisch hergestellte AGLA-Enzym wird bei der ERT alle 14 Tage intravenös verabreicht. Die Therapie erfolgt dauerhaft. Es sind zwei Enzymersatzpräparate zugelassen (Agalsidase alfa [Replagal®] und Agalsidase beta [Fabrazyme®]).

Mit dem Iminozucker 1-Deoxygalaktonojirimycin (DGJ,Migalastat , Galafold®) steht seit 2016 auch eine orale Behandlungsoption des M. Fabry für die Dauerbehandlung von Erwachsenen und Jugendlichen mit noch erhaltener Enzymrestaktivität zur Verfügung, wenn eine hierfür geeignete genetische Variante vorliegt. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes pharmakologisches Chaperon, eine chemische Verbindung, die spezifisch und reversibel an Proteine mit fehlerhafter Faltung bindet, die Faltungsdynamik der pathologisch veränderten Proteine in Richtung ihrer korrekten Konformation verschiebt und diese stabilisiert.

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Literatur:

  1. Üçeyler N et al. Diagnose und Therapie des Morbus Fabry, S1-Leitlinie, 2022; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. AWMF-Registernummer: 030/134
  2. Bartsch A, Heidecker B, Kurschat C. Morbus Fabry – eine interdisziplinäre Herausforderung. © CME-Verlag 2025

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