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Polyurie-Polydipsie-Syndrom beim Erwachsenen: Ursachen und Labordiagnostik

Das Polyurie-Polydipsie-Syndrom umfasst verschiedene Erkrankungen, welche mit Ausscheidung eines erhöhten Harnvolumens und erhöhter Trinkmenge, häufig auch mit Nykturie einhergehen.

DR. MED. ANJA-BRITTA SUNDERMANN

Das hypophysäre Hormon Arginin-Vasopressin (AVP, früher auch ADH, Antidiuretisches Hormon) spielt dabei in der Regulation des Wasserhaushalts eine wichtige Rolle, ursächlich für das Polyurie-Polydipsie-Syndrom können dabei ein AVP-Mangel, eine AVP-Resistenz sowie die Primäre Polydipsie sein.

Initial muss eine osmotische Diurese ausgeschlossen werden, die häufigste Ursache ist hier der Diabetes mellitus mit erhöhter Glukose-Konzentration im Harn, selten kommt eine erhöhte Harnstoffkonzentration (z.B. nach akutem Nierenversagen) in Betracht.

Bei einem AVP-Mangel (früher zentraler Diabetes insipidus) oder einer AVP-Resistenz (früher nephrogener Diabetes insipidus) kommt es zu einer unzureichenden Konzentration des Harns mit hypotoner Polyurie sowie Kompensation durch vermehrtes Trinken.

Der AVP-Mangel tritt meist erworben durch Schädigung des ZNS im Bereich des Hypothalamus und der Hypophyse auf, wie durch Verletzungen, nach Operationen des ZNS, Tumoren, entzündlichen oder autoimmunen Erkrankungen. Selten kommen bei jüngeren Patienten autosomal-dominant vererbte Formen vor.

Bei der AVP-Resistenz reagieren die Nieren nicht ausreichend auf die Wirkung des AVP, meist erworben durch chronische Nierenerkrankungen, auch Medikamente wie Lithium und Elektrolytstörungen (Hypo- kaliämie, Hyperkalzämie) können u.a. ursächlich sein. Auch hier sind erbliche Ursachen (z.B. AVP-Rezeptor-Mutationen) selten.

Die primäre Polydipsie hingegen entsteht durch gesteigerte Flüssigkeitszufuhr mit physiologischer Suppression der AVP-Ausschüttung, teilweise durch vermeintlich gesundheitsförderndes Verhalten, mitunter auch psychogen bedingt sowie weiterer nicht abschließend geklärter Ursachen.

Der Vorschlag, die Bezeichnung der Erkrankung Diabetes insipidus zu ändern, wurde 2022 von einer internationalen Arbeitsgruppe erarbeitet2, um Verwechslungen mit dem Diabetes mellitus und daraus resultierenden Fehlbehandlungen mit fatalen Folgen zu vermeiden. Wie oben beschrieben, stellen sich in beiden Fällen polyurische Patienten vor, welche im akuten Fall einer Dehydration durch AVP-Mangel mit Desmopressin behandelt werden müssen.

Diagnostik

Die klinische Anamnese mit hypotoner Polyurie (Harnvolumen > 40–50 ml/kg/24 h und herabgesetzter Urinosmolalität, < 300 mosmol/kg, bei partieller Störung < 800 mosmol/kg) sowie Polydipsie > 3 l/Tag sollte durch Ein- und Ausfuhrprotokoll gesichert werden. Erhöhte Werte für Natrium und Plasmaosmolalität geben bereits Hinweis auf einen möglichen AVP-Mangel oder eine AVP–Resistenz, während erniedrigtes Natrium ein Hinweis auf eine Primäre Polydipsie ist.

Mit der Messung des Copeptins im Serum, ein stabiler Surrogatmarker für das AVP, steht mit zunächst basaler Bestimmung bzw. im Stimulationstest eine praktikablere und genauere Methode als der klassische stationäre Durstversuch über mindestens 16 Stunden Dauer zur Verfügung.

Liegt der basale Copeptin-Wert über dem Schwellenwert von 21,4 pmol/l spricht dies bereits für eine AVP-Resistenz. Bei Werten darunter schließt sich zur Differenzierung zwischen AVP-Mangel und Polydipsie ein Stimulationstest an.

Goldstandard mit hoher diagnostischer Genauigkeit ist hier die Stimulation mit 3 % NaCl-Infusion, welche jedoch eine rasch verfügbare Bestimmung von Natrium im Serum wegen Gefahr der Überstimulation erfordert und mit mehr Nebenwirkungen behaftet ist. Daher wird in der Ambulanz auch der Arginin-Stimulationstest, welcher eine etwas geringere diagnostische Genauigkeit besitzt, verwendet. Niedrige Copeptin-Werte nach Stimulation sprechen für einen Vasopressin-Mangel, ansteigende Werte finden sich bei Primärer Polydipsie.

Abbildung 1. Algorithmus zum diagnostischen Vorgehen bei Verdacht auf Arginin-Vasopressin-Mangel (1)

Eine Baseler Arbeitsgruppe um Atila et al.1 hat 2024 eine Empfehlung für ein Prozedere veröffentlicht, wie bei klinisch gesichertem Polyurie-Polydipsie-Syndrom aus den basalen Bestimmungen von Natrium und Copeptin im Serum bereits Hinweise für eine Differenzierung zugrunde liegender Krankheitsentitäten erhalten werden. Ein Stimulationstest wäre hierbei nicht mehr grundsätzlich und in jedem Fall erforderlich (Abbildung 1).

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Literatur:

  1. Atila C et al. Arginine vasopressin deficiency: diagnosis, management and the relevance of oxytocin deficiency. Nat Rev Endocrinol. 2024 Aug;20(8):487-500
  2. Arima H et al. Changing the name of diabetes insipidus: a position statement of the working group to consider renaming diabetes insipidus. Arch Endocrinol Metab. 2022;66(6):868–870

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