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Patientensteuerung durch ein Primärarztsystem – Was hat das mit Labordiagnostik zu tun?

Es ist unbestritten, dass die durchschnittliche Anzahl an Arztbesuchen in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Für viele Experten ist sie mit Blick auf die Lebenserwartung zu hoch, auch, weil die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung seit vielen Jahren nicht gestärkt wurde. Die Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Patientensteuerung wird daher breit diskutiert, um die in jeder Hinsicht begrenzten Ressourcen im Sinne einer bestmöglichen Patientenversorgung einsetzen zu können.

DR. MED. MICHAEL MÜLLER

Gleichzeitig ist unbestritten, dass eine Intensivierung der Prävention im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Hypertonie erforderlich ist, um mittelfristig einen positiven Effekt auf die Gesamtgesundheit in der Bevölkerung zu erreichen. Dazu wurden in der Vergangenheit verschiedene Programme in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen. In dieser Situation legt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als Wiedervorlage aus der letzten Legislaturperiode einen geänderten Entwurf für eine Weiterentwicklung der Apothekenversorgung vor. Im Kern ist beabsichtigt, die wirtschaftliche Lage der Apotheken zu verbessern und ihnen mit neuen und zusätzlichen Leistungen aus der Gesundheitsversorgung weitere Kompetenzen zuzuordnen und so entsprechende Einnahmequellen zu eröffnen.

So ist im Bereich der Diagnostik vorgesehen, den Apotheken die Messung von Risikofaktoren wie z.B. Cholesterin und HbA1c im Rahmen von Beratungsleistungen als neu aufgenommene pharmazeutische Dienstleistungen zu ermöglichen. Die Finanzierung soll entsprechend erfolgen. Zudem ist vorgesehen, den Arztvorbehalt zur Feststellung übertragbarer Krankheiten durch Anwendung von Schnelltests zum Nachweis von Adenoviren, Influenzaviren, des Norovirus, RSV und des Rotavirus aufzuheben. Die Finanzierung soll als Selbstzahlerleistung erfolgen.

Die Vorstellung, dass Versicherte, die einen Anspruch auf Diagnostik und Therapie haben, nun bei akuten Erkrankungen der Atemwege oder bei Durchfallerkrankungen, deren Ursache ggf. meldepflichtige Erreger sind, in eine Apotheke gehen, um als Selbstzahlerleistung in einer nichtärztlichen Umgebung mit qualitativ schlechteren bzw. nicht geeigneten Schnelltests ohne weiteren ärztlichen Kontakt untersucht zu werden, erscheint absurd. Gleiches gilt für die Absicht, dass Erkrankte bei nicht komplizierten akuten Erkrankungen auch Antibiotika erhalten können sollen.

Ob die Apothekerinnen und Apotheker in der Fläche diese Möglichkeiten wahrnehmen oder Interesse an der Übernahme weiterer Aufgaben haben, darf aufgrund der Ergebnisse der Umfrage aus dem Apothekenklima-Index 2025 bezweifelt werden. Hier können sich nur 49,2 % der Befragten vorstellen, die erwähnten Präventionsleistungen anzubieten. Davon abgesehen ist es schon mehr als verwunderlich, dass das BMG in den wichtigen Bereichen der Prävention und der Diagnosestellung von Infektionserkrankungen auf den Arztvorbehalt verzichten möchte. Ohne weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualifikation von Apothekerinnen und Apothekern überlässt man so Versicherte, Patientinnen und Patienten und letztlich auch die Apothekerinnen und Apotheker ihrem Schicksal. Es ist bedenklich, dass hier angesichts der finanziell sehr angespannten Situation in der Gesetzlichen Krankenversicherung für pharmazeutische Dienstleistungen nicht abgerufene Gelder für etwas verwendet werden, was selbst die Betroffenen nicht mit großer Begeisterung übernehmen wollen.

So ist es auch wenig verwunderlich, dass von Krankenkassen und deren Verbänden und ebenso aus der breiten Ärzteschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie der Bundesärztekammer deutlicher Widerspruch kommt, denn in der vorhandenen ambulanten vertragsärztlichen Struktur ist alles bereits vorhanden und zu niedrigeren Kosten als in der Apotheke verfügbar. Die Aufhebung des Arztvorbehalts ohne Maßnahmen zur Sicherung der Qualität der Versorgung gefährdet alle Beteiligten. Aus der Perspektive der fachärztlichen Labore wäre es sinnvoll, den Versicherten zur Inanspruchnahme der Präventionsleistungen auch den Direktzugang zur fachärztlichen Versorgung im Labor zu ermöglichen. Die dort erhobenen ärztlichen Befunde könnten auf den bereits etablierten digitalen Wegen direkt an die Versicherten und auch an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte übermittelt werden.

Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren parlamentarischen Verfahren die politisch Verantwortlichen noch einmal nachdenken und im Sinne der Versicherten und auch der Apotheken diese Regelungen wieder entfernen.

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